Bild: mit KI erstellt
Die Europäische Kommission hat am 26. Februar 2025 ein umfassendes Reformpaket zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgestellt. Dieses sogenannte „Omnibus-Paket“ soll die ESG-Berichtspflichten für Unternehmen deutlich vereinfachen und den Verwaltungsaufwand senken [germany.representation.ec.europa.eu]. Konkret werden die Schwellenwerte für die Berichtspflicht massiv angehoben, Fristen verlängert und Pflichten insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelockert. Gleichzeitig werden auch die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) – das EU-Lieferkettengesetz – und die EU-Taxonomie angepasst. Die Kommission verspricht sich davon jährliche Einsparungen von Verwaltungsaufwand in Milliardenhöhe und eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen [germany.representation.ec.europa.eu]. Die Reform stößt jedoch auf ein geteiltes Echo: Wirtschaftsverbände begrüßen die Entlastungen, während Umweltorganisationen und einige Politiker eine Verwässerung der Nachhaltigkeitsziele kritisieren.
Hintergrund
In den vergangenen Jahren hat die EU die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich verschärft. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wurden ab 2024 sukzessive deutlich mehr Unternehmen verpflichtet, umfangreiche Informationen zu Umwelt-, Klima- und Sozialaspekten offenzulegen. Ursprünglich sollten alle großen kapitalmarktorientierten Unternehmen und später auch börsennotierte KMU in den Anwendungsbereich fallen – insgesamt rund 50.000 Unternehmen in Europa mit mehr als 20 Beschäftigten [reuters.com]. Parallel befindet sich die CSDDD, welche große Unternehmen zur Sorgfaltspflicht in ihren Lieferketten in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt verpflichten soll, im Gesetzgebungsverfahren. Diese Nachhaltigkeitsagenda war Teil des europäischen Green Deal, stieß aber insbesondere aus der Wirtschaft auf Kritik: Man fürchtete Überregulierung, hohe Bürokratiekosten und Wettbewerbsnachteile gegenüber weniger regulierten Regionen. Im November 2024 forderte der Europäische Rat in der „Budapester Erklärung“ erstmals eine spürbare Reduktion der Berichtspflichten [roedl.de]. Die Kommission sagte zu, den Verwaltungsaufwand um 25% (für KMU um 35%) zu senken [germany.representation.ec.europa.eu]. Vor diesem Hintergrund und angesichts von Rufen aus Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich nach lockereren Regeln legte die Kommission nun das Reformpaket vor. Es ist Teil einer größeren Initiative zur Stärkung der Industrie – dem sogenannten „Clean Industrial Deal“, mit dem Europa seine Industrie wettbewerbsfähig halten und zugleich auf Klimaneutralität ausrichten will [unpri.org].
Die aktuellen Änderungen
Die nun von der Kommission verabschiedeten Änderungen (Omnibus-Paket) an den ESG-Vorschriften bringen weitgehende Neuerungen, die vor allem auf die Entlastung mittelständischer Unternehmen und die Konzentration auf jene Akteure abzielen, die tatsächlich den größten Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft haben.
So werden zunächst die Schwellenwerte für die Berichtspflicht deutlich angehoben. Statt – wie bislang geplant – alle börsennotierten KMU einzubeziehen, werden Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden aus der Verpflichtung zur ESG-Berichterstattung herausgenommen. Konkret sieht der Kommissionsentwurf vor, dass nur Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten und entweder mindestens 50 Mio. € Jahresumsatz oder 25 Mio. € Bilanzsumme unter die CSRD-Berichtspflicht fallen [roedl.de]. Diese Verschiebung nimmt rund 80 % der bislang erfassten Unternehmen aus der Pflicht, die nach ursprünglichen Plänen ab 2026 von der CSRD betroffen gewesen wären. Damit konzentriert sich die Berichtspflicht auf Konzerne und sehr große Unternehmen, die entweder besonders hohe Umsatzerlöse oder entsprechende Bilanzsummen aufweisen und daher die größten ökologischen und sozialen Auswirkungen haben können.
Eng damit verbunden ist eine Neuregelung der Fristen: Viele Unternehmen erhalten mehr Zeit, um einen ersten Nachhaltigkeitsbericht vorzulegen. Für Unternehmen, die erstmals ab dem Geschäftsjahr 2025 der CSRD unterfallen würden (sog. Welle 2), verschiebt die Kommission die erste Berichtspflicht um zwei Jahre. Diese Unternehmen müssten nun erst 2028 über das Geschäftsjahr 2027 berichten statt – wie ursprünglich vorgesehen – 2026 über 2025. Für die bereits seit 2024 berichtspflichtigen Großunternehmen (Welle 1 kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern) gilt diese Verschiebung nicht. Die Kommission drängt Rat und Parlament, diesen Aufschub prioritär zu behandeln, damit Unternehmen schnell Rechtssicherheit über die Fristen erhalten [roedl.de].
Die EU-Taxonomieverordnung zur Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten wird darüber hinaus entsprechend angepasst. Bisher mussten alle CSRD-pflichtigen Firmen ihre Umsätze und Investitionen auf Taxonomie-Konformität prüfen und Kennzahlen (Umsatz-, CapEx-, OpEx-Anteil „grüner“ Aktivitäten) berichten. Künftig soll die Taxonomie-Berichtspflicht auf die allergrößten Unternehmen beschränkt werden [germany.representation.ec.europa.eu]. Unternehmen mit <1.000 Beschäftigten und <450 Mio. € Umsatz sollen gar nicht mehr berichten müssen (freiwillige Berichterstattung bleibt möglich) [roedl.de]. Unternehmen >1.000 Mitarbeiter mit unter 450 Mio. Umsatz müssten nur noch freiwillig berichten; falls sie es tun, werden nur Umsatz- und Investitions-Kennzahlen verlangt, während Betriebsausgaben (OpEx) optional sind. Nur Konzerne mit >1.000 Mitarbeitern und >450 Mio. Umsatz müssten weiterhin alle Taxonomie-Kennzahlen offenlegen [roedl.de]. Zusätzlich plant die Kommission Vereinfachungen bei der Ermittlung der Taxonomie-Daten: Eine Wesentlichkeitsgrenze soll eingeführt werden, sodass Unternehmen nur noch Aktivitäten bewerten müssen, die finanziell wesentlich für ihr Geschäftsmodell sind. Tätigkeiten, die insgesamt weniger als 10% der relevanten Kennzahlen ausmachen, gelten als nicht wesentlich und müssen nicht detailliert analysiert werden. Dies soll die Taxonomie-Reports „pragmatischer gestalten“ und auf Kernbereiche fokussieren. Die Kommission hat dazu eine Konsultation gestartet, um bis März 2025 Feedback einzuholen [roedl.de].
Ein zentrales Ziel der Reform ist es, kleinere Unternehmen von indirekten Belastungen zu befreien. Zwar waren KMU außer börsennotierten bereits bisher nicht berichtspflichtig, jedoch führte die CSRD häufig zu einem Trickle-Down-Effekt: Große Unternehmen forderten von ihren Zulieferern umfangreiche ESG-Daten für die eigenen Berichte. Künftig soll dieser Effekt begrenzt werden. Große Konzerne dürfen von Zulieferern mit weniger als 500 Mitarbeitern keine zusätzlichen Nachhaltigkeitsinformationen mehr einfordern, die über etwaige freiwillige KMU-Standards hinausgehen – außer es besteht ein zwingender Grund [roedl.de]. Damit sollen kleine Firmen in Lieferketten nicht faktisch doch noch mit Berichtspflichten überzogen werden, „die ursprünglich nicht für sie gedacht waren“ [roedl.de]. Außerdem werden börsennotierte KMU, wie erwähnt, ganz von der Pflicht ausgenommen. Die EU will dennoch KMU bei freiwilliger Berichterstattung unterstützen: Die bereits von der EFRAG entwickelten proportionalen ESG-Standards für KMU (VSME) sollen als Grundlage dienen, um einen vereinfachten freiwilligen Berichtsstandard für nicht berichtspflichtige Unternehmen bereitzustellen.
Auch die geplante Richtlinie für unternehmerische Nachhaltigkeits-Sorgfaltspflichten wird deutlich entschärft. Laut Entwurf soll sich die verpflichtende Risikoanalyse künftig primär auf direkte Geschäftspartner (Tier-1-Lieferanten) beschränken. Eine Ausweitung der Sorgfaltspflicht auf indirekte Zulieferer wäre nur noch erforderlich, wenn konkrete Hinweise auf Menschenrechts- oder Umweltrisiken in tieferen Lieferketten vorliegen (z. B. durch Berichte von Medien oder NGOs). Unternehmen sollen zwar weiterhin ihren Verhaltenskodex entlang der gesamten Wertschöpfungskette durchsetzen und bei bekannt werdenden Problemen Maßnahmen ergreifen, aber eine lückenlose Überwachung aller Zulieferstufen wird nicht mehr verlangt [roedl.de]. Zudem wird die Häufigkeit der Überprüfung der eigenen Sorgfaltsprozesse reduziert – anstatt jährlich soll eine umfassende Evaluation nur noch alle fünf Jahre Pflicht sein. Ein weiterer gravierender Punkt ist die Streichung der EU-weit einheitlichen zivilrechtlichen Haftung: Die Kommission will die im CSDDD-Entwurf vorgesehene zivilrechtliche Haftungsregel auf EU-Ebene streichen [roedl.de, germany.representation.ec.europa.eu]. Damit wären Unternehmen nicht mehr unmittelbar auf EU-Ebene haftbar, wenn sie ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen. Das nationale Haftungsrecht und das Recht der Opfer auf Schadensersatz sollen aber unberührt bleiben [germany.representation.ec.europa.eu]. Ebenfalls entfällt die im bisherigen Entwurf vorgesehene Verpflichtung, einen Klimaübergangsplan nicht nur aufzustellen, sondern auch sofort umzusetzen – künftig müssten Unternehmen zwar ein Übergangsplan-Konzept vorlegen, jedoch keine unmittelbaren Klimamaßnahmen daraus ableiten [roedl.de]. Schließlich soll die Anwendung der neuen Sorgfaltspflichten um ein Jahr auf Juli 2028 verschoben werden, damit Unternehmen mehr Vorbereitungszeit erhalten [roedl.de, germany.representation.ec.europa.eu].
Um die Datenflut und Komplexität einzudämmen, nimmt die EU auch Änderungen an den ESRS-Standards (European Sustainability Reporting Standards) vor. Die geplanten sektorspezifischen ESRS – ursprünglich bis Juni 2024 zu entwickeln, dann auf 2026 verschoben – werden komplett gestrichen. Unternehmen müssen sich künftig also nicht noch zusätzlich auf branchenspezifische Indikatoren einstellen. Zudem soll das bereits gültige erste Set der allgemeinen ESRS-Grundstandards einer Überarbeitung unterzogen werden. Binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten der Reformrichtlinie will die Kommission per delegiertem Rechtsakt das erste ESRS-Paket verschlanken. Insbesondere sollen weniger wichtige Datenelemente aus den Pflichtangaben entfernt werden, um den Fokus auf wesentliche Informationen zu legen. Geplant ist eine spürbare Reduktion der Datenpunkte und Priorisierung quantitativer Kennzahlen vor narrativen Texten. Auch soll klarer zwischen obligatorischen und freiwilligen Angaben unterschieden werden, um den Berichtsumfang zu verringern. Darüber hinaus wird bei der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte der Kurs geändert: Die CSRD hatte vorgesehen, dass perspektivisch von einer externen limited assurance (begrenzte Prüfungssicherheit) zu einer strengeren reasonable assurance übergegangen wird. Diese Verschärfung soll nicht mehr erfolgen – die Option zum späteren Wechsel auf eine prüferische Prüfung mit hinreichender Sicherheit wird gestrichen. Statt verpflichtender EU-Prüfungsstandards bis 2026 will die Kommission nun flexible Leitlinien für Prüfer herausgeben. Damit soll verhindert werden, dass die Prüfungskosten in Zukunft weiter steigen, und den Unternehmen mehr Planungssicherheit gegeben werden [roedl.de].
Reaktionen, Kritik und Einordnung
Die vorgeschlagenen Änderungen haben umgehend viele und natürlich unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Wirtschaftsverbände und viele Unternehmen begrüßen die Initiative ausdrücklich. Markus J. Beyrer, Generaldirektor von BusinessEurope sieht darin einen wichtigen Meilenstein, um in Europa das Wirtschaften zu erleichtern. Die Reduktion unnötiger Berichtslasten erlaube es den Firmen, „effektiver zu den Nachhaltigkeitszielen beizutragen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu wahren“. Besonders positiv bewertet die Wirtschaft die entschärften Regelungen bei der Lieferkettenhaftung und den Datenumfang: Die Begrenzung der Haftungsrisiken und Berichtspflichten seien „wichtige Fortschritte“. Auch der Wegfall hunderter Datenpunkte in der CSRD-Berichterstattung entlaste die Unternehmen merklich, ohne die Ziele infrage zu stellen [businesseurope.eu]. Allerdings mahnt die Wirtschaft auch Nachbesserungen an – und fordert eine harmonisierte Umsetzung der Due-Diligence-Regeln, um Unterschiede zwischen den EU-Staaten zu vermeiden [businesseurope.eu]. Große Unternehmen, die bereits viel in die Vorbereitung auf CSRD & Co investiert haben, reagieren teils zwiespältig: Sie begrüßen zwar die Vereinfachung, warnen aber vor ständiger Regeländerung. Einige Vorreiter-Unternehmen hatten in einem offenen Brief davor gewarnt, dass ein Aufschnüren der Regeln zu rechtlicher Unsicherheit führt und bereits getätigte Investitionen in Nachhaltigkeit entwertet [unpri.org].
Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen schlagen dagegeb alarmierende Töne an und sehen in der Reform einen deutlichen Rückschritt. WWF Europe bezeichnete von der Leyens „Deregulierung-Omnibus“ als „herben Rückschlag für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Sustainable Finance“ [wwf.eu]. Die Kommission entferne sich von ihren grünen Versprechen und setze ein gefährliches Zeichen, so die WWF. Insbesondere die Herausnahme von über 80 % der Firmen aus der CSRD-Pflicht sei kontraproduktiv: Dies schaffe Datengaps, erschwere nachhaltige Investments und „bedeutet letztlich einen Rückschritt für eine wettbewerbsfähige grüne Wirtschaft“ [wwf.eu]. Auch die Streichung sektoraler Standards sei „eine verpasste Chance“, da branchenspezifische Risiken so weniger adressiert würden [wwf.eu]. Amnesty International verurteilte die Änderungen als „kurzsichtig und gefährlich“, da sie Kernbestandteile der Nachhaltigkeitsgesetze aushöhlen [amnesty.org]. Anstatt angesichts globaler Lieferketten-Missstände die Messlatte höher zu legen, senke die EU diese gerade zu einer Zeit, wo sie dringend gebraucht werde. Besonders scharf kritisiert Amnesty die Aufweichung der Sorgfaltspflichten – die Beschränkung auf direkte Lieferanten, das Aufschieben verbindlicher Klimamaßnahmen und das Streichen der zivilrechtlichen Haftung könnten die Gesetze „kaum mehr wert machen als das Papier, auf dem sie stehen“ [amnesty.org]. Mehrere Umweltverbände monieren zudem den politischen Prozess: Die Änderungen seien im Eiltempo und unter dem Einfluss starker Lobbygruppen entstanden, während die Zivilgesellschaft kaum eingebunden war.
Auch in der Politik zeigen sich geteilte Lager. Unternehmen und die Regierungen einiger großer Industrienationen – etwa Deutschlands und Frankreichs – hatten den Vorstoß der Kommission maßgeblich vorangetrieben und begrüßen die Entlastungen. Sie argumentieren, dass vernünftige Vereinfachungen längst überfällig waren, um Investitionen freizusetzen und die Klimatransformation wirtschaftlich machbar zu halten. Demgegenüber äußern andere EU-Staaten, wie z. B. Spanien, „große Besorgnis“ über ein Aufweichen der Standards [reuters.com]. Diese Regierungen betonen, die ESG-Regeln seien zentral, um europäische Werte in Umwelt- und Menschenrechtsfragen zu sichern. Ähnlich sehen es viele Europaabgeordnete aus dem Umwelt- und Soziallager: Sie kündigten an, die Beschlüsse im anstehenden Gesetzgebungsverfahren kritisch zu begleiten und Verschlechterungen möglichst zu verhindern. So forderte Amnesty die EU-Parlamentarier und Mitgliedstaaten auf, jetzt „Führung zu zeigen“ und die Gesetze nicht ihrer Wirksamkeit zu berauben [amnesty.org]. Es ist absehbar, dass im Europäischen Parlament ein intensiver Streit zwischen den Fraktionen über dieses Reformpaket entbrennt.
Die von der EU-Kommission angestoßene Reform der ESG-Berichtspflichten stellt somit eine weitreichende Kurskorrektur dar. Für tausende Unternehmen in Europa – vor allem KMU – bedeutet sie eine erhebliche Bürokratieentlastung und mehr Planungssicherheit. Viele konnten aufatmen, da die Pflicht zur nachhaltigen Berichterstattung sie nun doch nicht trifft oder erst später greift. Auch für betroffene Großunternehmen bringen die Änderungen Erleichterungen: weniger Datenpunkte, großzügigere Fristen und fokussiertere Due-Diligence-Vorgaben senken den Aufwand. Aus wirtschaftlicher Sicht soll dies Ressourcen freimachen, um in Innovation und grüne Transformation zu investieren. Hier bleibt es natürlich abzuwarten, ob dies auch geschieht, oder die EU damit einen Teil ihres klimapolitischen Vorsprungs verspielt. Das Ziel ist aber klar: Ein klug zugeschnittenes, verhältnismäßiges Regelwerk soll die Wettbewerbsfähigkeit in diesen global schwierigen Zeiten erhalten. Ob das vorliegende Paket wie beschrieben durchkommt, wird nun im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu klären sein. Das letzte Wort haben der Ministerrat und das Europäische Parlament, die den Kommissionsvorschlag noch ändern oder sogar blockieren könnten. Fest steht, dass die Debatte um die richtige Ausgestaltung der ESG-Vorgaben gerade erst in die nächste Runde geht – und damit auch die Frage, wie Europa seinen Clean Industrial Deal zwischen grüner Transformation und wirtschaftlicher Stärke ausgestaltet.
Und was bedeutet das für Bestandshalter wie Immobilienfonds und Wohnungsbauunternehmen?
Für Bestandshalter von Immobilienportfolios bedeuten die Anpassungen auf Unternehmensebene mindestens eine Reduktion der Datenpunkte und Berichtspflichten und dadurch weniger administrativen Aufwand und geringere Compliance-Kosten. Große Bestandshalter können Ressourcen, die sonst in die Datensammlung und Aufbereitung geflossen wären, effizienter anderweitig einsetzen – etwa direkt in konkrete Modernisierungsprojekte statt in bürokratische Prozesse. Denn eine die Pflicht, Gebäude energieeffizient zu machen, bleibt. Bei den Anforderungen an die Gebäudeperformance steht weiterhin die European Performance of Buildings Directive (EPBD) im Mittelpunkt. Und diese geht konkret auf Immobilienportfolios ein. Diese schreibt vor, ab wann Energiedaten automatisiert erhoben und analysiert werden müssen. Der Fokus liegt darauf, die energieineffizientesten Gebäude transparent zu machen und sich kurz- und mittelfristig auf diese zu konzentrieren. Die EPBD-Etappenziele erlauben es nämlich, Sanierungen strategisch zu planen (zunächst Fokus auf die Gebäude mit schlechtester Effizienz, dann schrittweise Ausweitung) statt ad hoc überall eingreifen zu müssen. Diese Planbarkeit und Priorisierung ist ein Vorteil, da sie die finanzielle Belastung und den organisatorischen Aufwand kalkulierbar macht. Und wenn wir jetzt die europäische Ebene verlassen und uns das Gebäudeenergiegesetz (§71a) anschauen, wird es noch konkreter, was bei der Überwachung, Protokollierung und Analyse aller relevanten Energieverbräuche gefordert wird, um Energieverluste zu identifizieren, mit dem Ziel, darauf basierende Energie-Optimierungsmaßnahmen zu ermöglichen.
Langfristig bleibt für die Immobilienwirtschaft entscheidend, proaktiv in Energieeffizienz und Dekarbonisierung zu investieren – denn die übergeordneten Klimaziele und Marktansprüche bestehen fort, auch wenn der regulatorische Weg dorthin pragmatischer gestaltet wurde.
Wer sich detaillierter mit den Pflichten aus dem GEG 2024 §71a befassen möchte, findet in unserem Webinar praxisnahe Einblicke und Handlungsempfehlungen: GEG 2024 §71a – Anforderungen an Monitoring & Gebäudeautomation. Dort zeigt Prof. Dr. Krödel, welche konkreten Maßnahmen Bestandshalter jetzt ergreifen sollten und welche Spielräume die neuen Vorgaben bieten.