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KI in der Arbeitswelt – Freund oder Feind?

Gastbeitrag von Christian K. Karl | 10.09.2024

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Fast täglich lesen wir etwas über den digitalen Wandel. Wir lesen von neuen digitalen Methoden und Tools und es scheint, als wollte man uns immer wieder die Digitale Revolution als den goldenen Gral der Bau- und Immobilienwirtschaft verkaufen. In der Tat – und das ist unbestritten – die Bau- und Immobilienwirtschaft ist mitten in einem Umbruch. Und dabei bringt aktuell vor allem das Thema Künstliche Intelligenz (KI) das Potenzial mit, unsere Arbeitswelt grundlegend zu verändern. Zwangsläufig stellt sich natürlich die Frage, welche Auswirkungen hat diese Technologie nun auf unsere Arbeitsplätze? Wird KI in Zukunft ein unterstützender Partner sein oder eher eine Bedrohung für bestehende Jobs?

Künstliche Intelligenz als Werkzeug in der Zukunft der Arbeit

Die erste Berührung vieler Menschen in der Bau- und Immobilienbranche mit KI mag in Form von Software-Tools oder Robotern geschehen, die Routineaufgaben automatisieren (siehe z.B. der KI-Roboter Maximo oder der Beitrag bei Bau-Rockstars zur Geschichte von Robotern auf Baustellen). Vieleicht hat der Eine oder die Andere bereits mit der KI-Plattform Syte gearbeitet (eine Art digitales Grundbuch) oder der KI-gestützten Bauplanungsplattform ARCHITEChTURES oder PropertyMax, um das Maß der Bebaubarkeit zu untersuchen oder mit Plattformen wie Yanus oder LookX.

Doch wie helfen solche Tools und Plattformen? Ein Beispiel ist die automatisierte Planung, bei der KI-gestützte Programme komplexe Pläne analysieren und optimieren können. Früher brauchte eine Architektin oder ein Architekt Tage oder Wochen, um alternative Entwürfe zu erstellen – heute könnte das eine KI in wenigen Minuten erledigen. Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von KI in der Bauüberwachung. Hier können KI-gestützte Drohnen Baustellen überwachen und Daten in Echtzeit erfassen und analysieren. Das bedeutet nicht, dass die Bauleitung überflüssig wird. Vielmehr erhält die Bauleiterin bzw. der Bauleiter genaue und aktuelle Informationen, um besser eigene Entscheidungen treffen zu können.

Doch bevor Sie jetzt denken, Ihr Beruf wäre überflüssig geworden: Solche Tools nehmen Ihnen nicht die Arbeit ab, sondern ermöglichen es, sich auf andere, wichtigere Dinge zu konzentrieren. Es ist wie ein Backofen: Sie könnten Ihr Brot auch über einem Lagerfeuer backen, um das Sie sich ständig kümmern müssten. Das macht zweifelsohne auch Spaß und hat ggf. auch was romantisches, aber die Nutzung eines Ofens gibt Ihnen Zeit, um sich mit anderen wichtigen Dinge zu beschäftigen, ohne auf das Feuer aufzupassen. Zudem müsste in Versuchen erstmal ergründet werden, wie die Qualität dieser Ergebnisse ist und welchen Grad die spezifische Expertise, Erfahrung und auch Kreativität des KI-Systems im Vergleich zum Menschen ist und inwiefern diese Aspekte von der KI „kopiert“ werden können. Aber eine Erleichterung wäre es allemal, das steht außer Frage.

Von daher ist es unwahrscheinlich, dass diese Technologie die menschlichen Expertinnen und Experten kurz- und mittelfristig unmittelbar ersetzt. Stattdessen wird sie ihnen helfen, noch präzisere und fundiertere Entscheidungen treffen zu können. Stellen Sie sich KI als den Assistenten vor, der Ihnen immer den richtigen Schraubenschlüssel reicht, während Sie an einem komplizierten Mechanismus arbeiten. Der Assistent erledigt nicht die Arbeit, aber er macht sie viel einfacher.

Augmented Intelligence statt Artificial Intelligence

Wenn wir das oben genannte einmal bedenken, bedeutet das, dass der Begriff Künstliche Intelligenz doch schon etwas irreführend ist. Wir sollten es mehr als Erweiterung unserer eigenen Intelligenz sehen – also mehr Augmented Intelligence statt Artificial Intelligence. Denn der Mensch ist und bleibt im Mittelpunkt. Der Mensch schafft sich die erweiterte Intelligenz, um mit ihr Probleme zu lösen und sein (Arbeits-)Leben zu vereinfachen. Der Mensch nutzt die erweiterte Intelligenz, um seine eigenen Entscheidungen zu unterstützen. Und genau so sollte es sein. Der Mensch entscheidet, nicht die KI! Wer sich blind auf die Ergebnisse eines KI-Systems verlässt und diese ungeprüft und unreflektiert übernimmt – entschuldigen Sie bitte die flapsige Ausdrucksweise – dem ist nicht mehr zu helfen. Denn wer KI-Systeme ohne eigenen Verstand benutzt, der hat auch irgendwann die Kontrolle über sein Leben verloren! Und ohne die Aktivitäten des Menschen macht die KI auch erstmal gar
nichts. Sie ist wie ein Werkzeug, das in den versierten Händen seiner Benutzerin oder seines Benutzers kraftvoll und nützlich sein kann, aber ohne menschliches Zutun untätig bleibt. Ein Hammer beispielsweise kann keinen Nagel von allein einschlagen; es bedarf der Hand, die ihn führt. Genauso verhält es sich mit Augmented Intelligence: Sie kann unsere Fähigkeiten erweitern, aber nur, wenn wir sie bewusst einsetzen und eigenverantwortlich lenken. Ohne den Menschen ist sie nichts weiter als eine ungenutzte Ressource, eine Möglichkeit ohne Zweck.

Macht KI uns jetzt arbeitslos?

Trotz all der potenziellen Vorteile, die KI mit sich bringt, lesen wir auch immer wieder von Bedenken (lesen Sie dazu eine ausführliche Betrachtung der dunklen Seite von KI in diesem Beitrag). Ein Aspekt ist die Frage nach den Arbeitsplätzen. Wenn KI immer mehr Aufgaben übernimmt, was passiert dann mit den Menschen, die diese Aufgaben bisher ausgeführt haben? Ein Maurer, der 20 Jahre Erfahrung hat, kann durch eine Maschine ersetzt werden, die Mauerwerk schneller und möglicherweise präziser errichtet. Doch was geschieht mit dem
Maurer?

Hier kommt die Rolle der Weiterbildung ins Spiel. Es ist wichtig, dass Arbeitnehmende in der Bau- und Immobilienwirtschaft die Möglichkeit erhalten, sich weiterzubilden und neue Fähigkeiten zu erwerben, die sie in einer durch KI geprägten Arbeitswelt benötigen. Das könnte zum Beispiel die Bedienung von KI-gesteuerten Maschinen sein oder das Management von Projekten, die stark auf digitale Technologien setzen. Mehr Aufgaben mit Management Charakter und weniger ausführende Aufgaben. Wenn Sie sich das so vorstellen: Ein Maurer, der zum Dirigenten eines Orchesters aus Robotern wird, klingt doch irgendwie spannend.

Und nun?

Am Ende bleibt die Frage: Ist KI in der Bau- und Immobilienwirtschaft ein Freund oder ein Feind? Die Antwort ist: Sie kann beides sein. Es hängt davon ab, wie wir diese Technologie einsetzen und für uns im Sinne einer erweiterten Intelligenz anpassen. Wenn wir KI als Werkzeug betrachten, das uns hilft, effizienter und präziser zu arbeiten, dann ist sie ein Freund. Wenn wir jedoch versuchen, sie als Ersatz für menschliches Denken und Handeln zu sehen, dann kann sie schnell zum Feind werden.

Es liegt an uns, die Entwicklung in die richtige Richtung zu lenken. Denn wie bei einem Bauprojekt hängt das Ergebnis davon ab, wie gut wir die Werkzeuge, die uns zur Verfügung stehen, nutzen. Und wie beim Bau eines Gebäudes ist es nicht nur die Arbeit des Maurers, sondern auch aller anderen Beteiligten, die am Ende den Unterschied ausmacht.

In der Bau- und Immobilienwirtschaft, wie auch in vielen anderen Branchen, wird die Zukunft der Arbeit stark von den Entwicklungen der KI beeinflusst. Ob wir diese Entwicklungen als Bedrohung oder Chance sehen, liegt in unserer Hand. Denn eins ist sicher: Die Zukunft lässt sich zwar nicht aufhalten, aber sie ist zum Teil steuerbar. Wenn wir das Ruder übernehmen wollen.

Der ursprüngliche Beitrag ist hier zu finden: Karl, C. [Christian K. Karl]. (2024). Zukunft der Arbeit – KI als Partner oder Konkurrent? [Blog-Beitrag]. 29.08.2024.  BauVolution , ISSN 2942-9145. online verfügbar

<p>AUTOR:IN</p>Christian K. Karl

AUTOR:IN

Christian K. Karl
Christian K. Karl forscht und lehrt seit 2006 an der Universität Duisburg-Essen (Deutschland). Derzeit ist er Leiter des Lehr- und Forschungsbereichs Fachdidaktik der Bautechnik und Studiengangsleiter des Studiengangs Bautechnik (B.Sc. & M.Ed.).Sein Engagement und seine Expertise in der Hochschulbildung wurden mit dem Preis "Innovationen in der Hochschulbildung 2009" und dem "Deutschen Planspielpreis 2015" ausgezeichnet.

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